Blogeinträge aus 2021
Setzt ein Rückerstattungsanspruch gemäß § 651h Abs.3 BGB eine offizielle Reisewarnung voraus?
Nein. Eine offizielle Reisewarnung ist keine zwingende Voraussetzung für die erfolgreiche Durchsetzung eines Erstattungsanspruchs gemäß § 651h Abs.3 BGB. Das entschied auch jüngst das AG Lüneburg in seiner Entscheidung vom 09.06.2021, Az.: 53 C 142/20.
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Busreise in und durch die Toskana gebucht. Die Reise war für den Zeitraum vom 23.03.2020 bis zum 30.03.2020 geplant. Der Kläger stornierte die Reise am 03.03.2021 und verlangte von der Beklagten Rückerstattung des bereits geleisteten Reisepreises gemäß § 651h Abs.3 BGB.
Eine offizielle Reisewarnung gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Die Beklagte verweigerte die Rückzahlung und behauptete die Voraussetzungen für eine kostenfreie Stornierung hätten nicht vorgelegen.
Das AG Lüneburg erklärte die vom Kläger eingereichte Klage als vollumfänglich begründet. Es verurteilte die Beklagte zur Erstattung des bereits geleisteten Reisepreises gemäß § 651h Abs.3 BGB, zur Übernahme der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten und erklärte, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe.
Das AG Lüneburg begründet seine Entscheidung damit, dass es letztlich nicht darauf ankomme, ob der Zielort tatsächlich als Risikogebiet eingestuft war oder nicht. Es reiche aus, dass zum Zeitpunkt der Stornierung der Eindruck bestand, dass ganz Italien ein einziges Gefahrengebiet ist. Der Beklagten sei es nicht möglich gewesen zu garantieren, dass vor Ort alles planmäßig und ungehindert hätte ablaufen können. Denn man musste im Inland und insbesondere im Ausland mit täglichen Änderungen der Bestimmungen rechnen, weil diese von der jeweiligen 7-Tage-Inzidenz abhingen, welche täglichen Änderungen unterlagen. Die Lage war zum Zeitpunkt der Stornierung völlig unberechenbar.
Das AG Lüneburg erklärte weiter, dass die vorhandene Angst der vor Ort verantwortlichen Behörden und Funktionsträger vor der Übernahme der Verantwortung für mögliche Corona-Infektionen vielerorts zu krassen Überreaktionen und starken Beschränkungen der Freiheit der Urlaubsgäste geführt habe. Nach Auffassung des Gerichts kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei Durchführung der Reise vielerlei Beschränkungen unterlegen gewesen wäre und so manche böse Überraschung erlebt hätte.
Aus diesen Gründen gab das Gericht der Klage voll statt und sah die Voraussetzungen des § 652h Abs.3 BGB als erfüllt an.
Maskenpflicht am Urlaubsort kann zu einem kostenfreien Rücktritt gemäß § 651 h Abs.3 BGB berechtigen
Das Amtsgericht Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 12.02.2021, Az.: 37 C 420/20 entschieden, dass die voraussichtliche Pflicht zum Tragen einer Maske am Urlaubsort einen außergewöhnlichen, die Durchführung der Pauschalreise beeinträchtigenden Umstand darstellt und sprach dem Kläger daher einen Anspruch auf Erstattung des bereits geleisteten Reisepreises gemäß § 651 h Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zu.
Der Sachverhalt:
Die Beklagte war ein Reiseveranstalter. Der Kläger hatte bei der Beklagten für Juli 2020, für sich und seine Familie eine Pauschalreise nach Mallorca gebucht. Aufgrund der steigenden Infektionszahlen war im Juni 2020 zu erwarten, dass der Kläger und seine Familie am Urlaubsort zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verpflichtet sein würden. Zumindest überall dort, wo ein Abstand von zwei Metern zu anderen Menschen nicht einzuhalten ist; in geschlossenen Räumen, wie auch draußen an öffentlichen Orten und Plätzen.
Der Kläger erklärte daraufhin seinen Rücktritt vom Reisevertrag und verlangte den bereits geleisteten Reisepreis von der Beklagten zurück. Die Beklagte verweigerte die Erstattung und verwies auf die vertraglich vereinbarten Stornoregeln im Sinne des § 651 h Abs.1 S.3 BGB.
Der Kläger erhob Klage vor dem Amtsgericht Düsseldorf.
Das Amtsgericht Düsseldorf gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Rückerstattung des bereits gezahlten Reisepreises. Einen darüberhinausgehenden Anspruch auf Entschädigung gemäß § 651 Abs.1 S.3 BGB verneinte das Gericht allerdings.
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass sich das Tragen einer Maske bei Außentemperaturen von um die 30 Grad Celsius nachteilig auf das körperliche Wohlbefinden auswirken. Insbesondere wenn der Kläger und seine Familie die Masken nahezu rund um die Uhr tragen müssten. Die Masken würden außerdem durch Schweiß innerhalb kürzester Zeit durchnässen.
Das Amtsgericht sah durch die Pflicht zum Maskentragen auch nicht das typische Lebensrisiko verwirklicht. Denn am Heimatort des Klägers und auch in anderen Regionen und Ländern bestand zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung keine derart strenge und weitreichende Maskenpflicht. Von einem „typischen“ Lebensrisiko konnte also nicht die Rede sein.
Wir haben keinen Kindergartenplatz erhalten – was nun?!
In den Landkreisen und Gemeinden werden zum Beginn des Jahres wieder die Betreuungsplätze für das Kindergartenjahr 2021/2022 vergeben. Das Verfahren zur Verteilung der Betreuungsplätze ist unterschiedlich. Die gesetzliche Anspruchsgrundlage ist aber immer dieselbe: § 24 SGB VIII „Anspruch auf Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege“
Im § 24 SGB VIII sind die Anspruchsgrundlagen für einen Betreuungsplatz je nach Alter des Kindes in den Absätzen 1 bis 3 die gestaffelt. Der Abs.1 richtet sich an Kinder, welche das erste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, der Abs.2 bestimmt den Anspruch auf frühkindliche Förderung für Kinder ab der Vollendung des ersten Lebensjahrs bis zur Vollendung des dritten Lebensjahrs und der Abs.3 beinhaltet den Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung für Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, bis zum Schuleintritt.
Ein Großteil der Familien betreut ihr Kind bis zum Ende des ersten Lebensjahres selbst und hegt dann den Wunsch die Betreuung, zusammen mit dem Wiedereinstieg in den Beruf, in die fähigen Hände von Erziehern und Erzieherinnen zu legen.
Wenn der begehrte und form- und fristgerecht beantragte Betreuungsplatz nicht zugeteilt wird, ist die Not groß.
An dieser Stelle lohnt es sich anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denn der Anspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Betreuungseinrichtung gemäß § 24 Abs.2 oder Abs.3 SGB VIII ist ein unbedingter Rechtsanspruch.
Der zuständige Jugendhilfeträger ist in der Pflicht einem jeden Kind im Alter von einem Jahr bis hin zum Schuleintritt, unter der Voraussetzung eines wirksam gestellten Antrages, einen Betreuungsplatz zu vermitteln. Der zuständige Jugendhilfeträger hat die erforderlichen Kapazitäten zu schaffen, um so eine ausreichende Anzahl an Kindergartenplätzen in wohnortnahen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen (BVerwG 5 C 19.16).
Kommt der Landkreis oder die Gemeinde diesem Anspruch in quantitativer oder auch in qualitativer Weise nicht nach, so können die betroffenen Familien einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem zuständigen Jugendhilfeträger geltend machen.
Die erfolgreiche Durchsetzung eines solchen Schadensersatzanspruchs setzt allerdings voraus, dass der Landkreis / die Gemeinde die mangelhafte Betreuungslage zu vertreten hat. Hier gilt es im Einzelfall zu prüfen, welche Anstrengungen unternommen wurden, um eine ausreichende Betreuung zu gewährleisten und warum diese Bemühungen nicht ausgereicht haben.
Blogeinträge aus 2020
Zwingende Pflicht des Reiseveranstalters zur Rückerstattung des Reisepreises binnen 14 Tagen nach der Stornierung
Mit Urteil vom 15.10.2020, Az.: 32 C 2620/20 (18) entschied das AG Frankfurt a.M., dass die Beklagte (ein Reiseveranstalter) sowohl nach dem nationalen als auch nach dem europäischen Recht zur Erstattung der Reisekosten innerhalb von 14 Tagen, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Stornierung, verpflichtet ist. Leistet der Veranstalter nicht, gerät er automatisch und verschuldensunabhängig in Verzug.
Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Pauschalreise gebucht und im Voraus bezahlt. Schließlich konnte die Reise aufgrund der Covid-19-Pandemie nicht durchgeführt werden. Die Beklagte erklärte gemäß § 651h Abs.4 S.2 BGB den Rücktritt von der Reise. Der Kläger verlangte daraufhin von der Beklagten die Erstattung der Reisekosten.
Gemäß § 651h Abs.5 BGB hat der Reiseveranstalter die Rückerstattung des Reisepreises unverzüglich, auf jeden Fall aber innerhalb von 14 Tagen nach dem Rücktritt zu leisten. Die Beklagte stellte dem Kläger indes unaufgefordert Gutscheine aus. Eine Rücküberweisung der geleisteten Reisepreiszahlung erfolgte nicht.
Erst als der Kläger vor Gericht zog, erkannte die Beklagte die Klage in Höhe des Reisepreises an. Die Zahlung der Verzugszinsen und der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verweigerte sie jedoch. Zur Begründung führte die Beklagte an, wegen unvorhersehbarer Liquiditätsschwierigkeiten und nicht zu bewältigendem Organisationsbedarf sei die Erstattung zu einem früheren Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Diese Umstände würden den Verzugseintritt ausschließen.
Das sah das AG Frankfurt anders. In seinem Urteil vom 15.10.2020, Az.: 32 C 2620/20 (18) stellte das AG Frankfurt klar, dass auch das Angebot eines Gutscheins, die Vielzahl an Erstattungswünschen und / oder die Tatsache, dass sich die Beklagte aufgrund der Corona-Pandemie in Liquiditäts- und Organisationsschwierigkeiten befand, nichts an der Pflicht zur fristgemäßen Erstattung nach § 651h Abs.5 BGB ändert. Im Zivilrecht gilt der Grundsatz „Geld hat man zu haben“. Dementsprechend kommt es auf ein Verschulden der Beklagten nicht. Vielmehr tritt der Zahlungsverzug verschuldensunabhängig ein. Auch die „freiwillige Gutschein-Lösung“ der Bundesregierung führt zu keiner anderslautenden Beurteilung des Sachverhalts.
Anspruch auf vollständige Erstattung des Reisepreises auch ohne Reisewarnung
Mit Urteil vom 11.08.2020 zu dem Aktenzeichen 32 C 2136/20 (18) hat das AG Frankfurt entschieden, dass der Anspruch gemäß § 651h Abs.3 BGB auf eine kostenfreie Stornierung auch dann besteht, wenn es zum Zeitpunkt der Stornierung noch keine offizielle Reisewarnung gibt.
Der Kläger hatte seine bei der Beklagten gebuchte Reise nach Italien (Ischia), die am 14.04.2020 hätte beginnen sollen, am 07.03.2020 aufgrund der sich weltweit ausbreitenden Corona-Pandemie storniert. Gemäß § 651 h Abs.3 und Abs.5 BGB hatten er die Beklagte zur vollständigen Rückerstattung des bereits geleisteten Reisepreises aufgefordert. Vergebens.
Mit seiner daraufhin vor dem AG Frankfurt erhobenen Klage obsiegte der Kläger. Den Einwand des Reiseveranstalters zum Zeitpunkt der Stornierung habe noch keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorgelegen, wies das AG Frankfurt zurück.
Das AG Frankfurt urteilte, dass bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung des Virus genüge. Diese Wahrscheinlichkeit sah das Gericht für den Zeitpunkt der Stornierung der Reise Anfang März 2020 für ganz Italien als gegeben an. Dementsprechend wurde der Reiseveranstalter dazu verurteilt, dem Kläger gemäß § 651h Abs. 3 BGB den bereits geleisteten Reisepreis zurückzuerstatten.
Verschärfung der Bußgeldvorschriften bei Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
Durch den Beschluss der Straßenverkehrsordnungs-Novelle müssen Temposünder von nun an mit höheren Strafen rechnen – das zu erwartende Bußgeld wurde erhöht und der Verlust des Führerscheins droht bereits Ersttätern.
Überhöhte Geschwindigkeit außerorts
Drohte bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts von bis zu 10 km/h bisher eine Geldbuße in Höhe von 10 EUR, so ist nunmehr der doppelte Betrag fällig. Die Geldbuße wurde auf 20 EUR erhöht. Auch bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 11 bis 15 km/h und 16 bis 20 km/h wurde das Bußgeld um jeweils 50 % angehoben.
Ein Fahrverbot droht nach wie vor ab einer Überschreitung der Geschwindigkeit in Höhe von 26 km /h. Neuerdings trifft das Fahrverbot allerdings nicht erst Wiederholungstäter, sondern auch bereits Temposünder, die das erste Mal innerhalb eines Jahres auffällig geworden sind.
Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung | Bußgeldbetrag | Punkte | Fahrverbot |
bis 10 km/h | 20 €
11 - 15 km/h | 40 €
16 - 20 km/h | 60 €
21 - 25 km/h | 70 € | 1
26 - 30 km/h | 80 € | 1 | 1 Monat
31 - 40 km/h | 120 € | 1 | 1 Monat
41 - 50 km/h | 160 € | 2 | 1 Monat
51 - 60 km/h | 240 € | 2 | 1 Monat
61 - 70 km/h | 440 € | 2 | 2 Monate
über 70 km/h | 600 € | 2 | 3 Monate
Überhöhte Geschwindigkeit innerorts
Auch Autofahrer, die innerorts mit überhöhter Geschwindigkeit fahren, haben höhere Bußgelder ein früheres Fahrverbot zu befürchten.
Die Höhe der Bußgelder im unteren Bereich wurde ebenfalls jeweils verdoppelt. Ebenso droht Temposünder auch innerorts bereits bei der erstmaligen Geschwindigkeitsüberschreitungen um mindestens 21 km/h ein Fahrverbot für einen Monat.
Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung | Bußgeldbetrag | Punkte | Fahrverbot
bis 10 km/h | 30 €
11 - 15 km/h | 50 €
16 - 20 km/h | 70 €
21 - 25 km/h | 80 € | 1 | 1 Monat
26 - 30 km/h | 100 € | 1 | 1 Monat
31 - 40 km/h | 160 € | 2 | 1 Monat
41 - 50 km/h | 200 € | 2 | 1 Monat
51 - 60 km/h | 280 € | 2 | 2 Monate
61 - 70 km/h | 480 € | 2 | 3 Monate
über 70 km/h | 680 € | 2 | 3 Monate
Droht mir ein Bußgeld, wenn ich während der Autofahrt mein mit dem Ladekabel verbundenes Handy an eine Powerbank anschließe?
Für die Beantwortung der Frage kommt es entscheidend darauf an, ob sich bei der Powerbank und bei dem Ladekabel jeweils um ein elektronisches Gerät im Sinne des §23 Abs.1a StVO handelt, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist.
Der Betroffene, Fahrer eines Kraftfahrzeugs, telefonierte während der Fahrt mit seinem Smartphone über eine Freisprechanlage. Aufgrund des schwachen Akkus befürchtete er einen Abbruch der Telefonverbindung. Er schloss daher er sein bereits mit einem Ladekabel verbundenes Mobiltelefon an eine Powerbank an. Er nahm dazu die Powerbank und das Ladekabel in die Hand, um diese miteinander zu verbinden.
Das Amtsgericht Detmold verurteilte den Betroffenen in dem in Rede stehenden Fall aus dem Jahr 2018 mit dem Aktenzeichen 4 OWi 333/18 wegen der verbotswidrigen Benutzung eines Mobiltelefons während der Führung eines Kraftfahrzeugs zu einer Geldbuße in Höhe von 180 EUR gemäß §23 Abs. 1a StVO.
Denn es sah das mit dem eingesteckten Ladekabel an die Powerbank gekoppelte Handy als eine Geräteeinheit an. Von dieser Geräteeinheit dürfe während der Fahrt nicht ein Teil in der Hand gehalten werden. Das Tatbestandsmerkmal der Dienlichkeit zur Kommunikation bejahte das Amtsgericht mit der Begründung, dass Powerbank und Landekabel ja gerade einen immer vollen Akku gewährleisten sollen, um dadurch eine fortwährende Möglichkeit der Kommunikation zu garantieren.
Das Oberlandesgericht Hamm teilte die Meinung des AG Detmold nicht und sprach den Betroffenen frei. In seinem Beschluss vom 05.02.2020 mit dem Aktenzeichen 4 RBs 92/19.entschied das OLG, dass es sich weder bei der Powerbank, noch bei dem Ladekabel um ein elektronisches Gerät im Sinne des §23 Abs. 1a StVO handelt. Vielmehr dienen beide Gegenstände nur der Energieversorgung des Mobiltelefons. Mithin handelt es sich sowohl bei der Powerbank, als auch bei dem Ladekabel nur um Geräte die für die Nutzbarkeit eines Gerätes der Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungselektronik erforderlich sind, nicht aber um ein solches Gerät selbst.
Das OLG Hamm hat sich außerdem mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Nutzung von Powerbank und Ladekabel eine ähnlich verkehrssicherheitsgefährdende Ablenkungswirkung mit sich bringt, wie die Betätigung eines Mobiltelefons oder eines Tablets. Die ablenkende Wirkung eines Smartphones o.ä. beruht insbesondere auf der Berührung des Displays, um Informationen abzurufen, einen Kontakt auszuwählen usw.. Ein Display haben indes weder das Ladekabel, noch die Powerbank.
Das OLG erkennt zwar, dass auch die Kopplung des Mobiltelefons mit der Powerbank, mittels des Ladekabels den Betroffenen in seiner Konzentration auf das Verkehrsgeschehen ablenken könne, eine konkrete Beurteilung der Gefährdung richte sich jedoch noch den individuellen Umständen, wie der Dauer der Verbindung und der Positionierung der Teile. Das OLG hielt es daher für ausreichend, die Nutzung von Powerbank und Ladekabel nicht grundsätzlich zu verbieten. Die Verwendung sei vielmehr an dem Vorsicht- und Rücksichtnahmegebot aus § 1 StVO zu messen.
Es bleibt das Fazit, dass die Kopplung eines mit dem Ladekabel verbundenen Handys und einer Powerbank während des Betriebes eines Kraftfahrzeugs nicht pauschal unzulässig
Können auch Tiere einen Anspruch gemäß der EU-FluggastrechteVO auf eine Ausgleichszahlung haben?
Gemäß der EU-FluggastrechteVO können Passagiere unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf eine Entschädigungszahlung geltend machen. Die EU-FluggastrechteVO beinhaltet keinen Passus, aus dem hervorgeht, dass es sich bei dem Passagier um einen Menschen handeln muss. So wurde zuletzt auch einem Hund ein Entschädigungsanspruch zugebilligt.
Ein Flug von Palermo nach Lampedusa konnte am 14.01.2020 aufgrund technischer Probleme nicht durchgeführt werden. Der Flug wurde mithin annulliert und die Flugreisenden hatten einen Anspruch auf Entschädigung gemäß der EU-FluggastrechteVO.
Einer der anwesenden Passagiere, reiste zusammen mit seinem Hund Jack. Er machte für sich und auch für seinen Hund einen Entschädigungsanspruch geltend und bekam Recht. Denn gemäß der EU-FluggastrechteVO ist Passagier, wer die entsprechenden Reisedokumente besitzt. Ein entsprechendes Reisedokument war auch auf den Hund Jack ausgestellt worden. Die Voraussetzungen lagen mithin vor und die Fluggesellschaft musste 250 € an den Hund zahlen.
Setzt eine Geschwindigkeitsmessung zu ihrer Verwertbarkeit die Speicherung von Rohmessdaten voraus?
Das OLG Oldenburg erklärt Messungen, ohne die Speicherungen von Rohmessdaten für verwertbar.
Mit seinem Beschluss vom 09.09.2019 - 2 Ss (Owi) 233/19) folgt das OLG Oldenburg nicht dem Urteil des VerfGH Saarbrücken.
Das VerfGH Saarbrücken hatte in seinem Urteil vom 05.07.2019 – Lv 7/1 entschieden, dass Geschwindigkeitsmessungen mit Messgeräten, bei denen die Rohmessdaten nicht gespeichert werden, nicht brauchbar sind.
In der besagten Entscheidung des VerfGH Saarbrücken war der betroffene Autofahrer mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 27 km/h innerorts zu einer Geldbuße von 100 € verurteilt worden. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte durch das Messgerät Traffistar S 350.
Der im Bußgeldverfahren vom Kläger vorgebrachte Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens, um darlegen zu können, dass bei dem o.g. Messgerät die Möglichkeit ausgeschlossen sei, die Messung sachverständig überprüfen zu lassen, da das Gerät nicht alle Messdaten speichere, wurde zunächst vom Amtsgericht Saarbrücken und anschließend vom Saarländisches Oberlandesgericht abgewiesen.
Beide Gerichte waren nämlich der Ansicht, dass der Geschwindigkeitsverstoß auch dann wirksam festgestellt werden kann, wenn gerade nicht alle Messdaten gespeichert werden. Die Daten sollen trotzdem zur Grundlage der Verurteilung gemacht werden können, da es sich um ein sogenanntes standardisiertes Messverfahren handele.
Der Kläger zeigte sich wenig überzeugt von dieser Argumentation und legte Verfassungsbeschwerde bei dem VerfGH Saarbrücken ein. Er rügte mit seiner Verfassungsbeschwerde insbesondere die Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren, da ihm durch die fehlende Speicherung aller Messdaten die Möglichkeit genommen werde, Messfehler aufzuzeigen.
Nachdem der VerfGH drei Sachverständige zu der Frage gehört hatte, welche Daten des Messvorgangs vorliegen müssen, um eine gültige nachträgliche Überprüfung von Geschwindigkeitsmessungen zu ermöglichen, entschied er, dass eine zuverlässige nachträgliche Begutachtung der Messergebnisse nur bei einer Speicherung der Rohmessdaten möglich sei. Zweifel daran, dass es sich gleichwohl um ein sogenanntes standardisiertes Messverfahren handelt, hegte der VerfGH indes nicht.
Das Gericht betonte aber, dass ein betroffener Fahrer, der sich gegen eine ihm vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung wendet, die Möglichkeit haben muss, prüfen zu lassen, ob das standartisierte Messverfahren korrekt verlaufen ist. Das gelte auch für den Fall, dass der Betroffene zunächst keinen offensichtlich erkennbaren Einwand behaupten kann.
Der Grundstock des Rechts auf eine wirksame Verteidigung umfasse nämlich auch die Möglichkeit nachforschen zu können, ob es bislang nicht bekannte Zweifel an der Tragfähigkeit des Vorwurfs gibt. Werden die Rohmessdaten aber nicht gespeichert, bleibt dieser Vorgang dem Betroffenen verwehrt.
Aufgrund dieser Erwägungen hob der VerfGH Saarbücken die Entscheidungen des AG Saarbrücken und des saarländischen OLG auf.
Das OLG Oldenburg vertritt eine andere Auffassung als der VerfGH Saarbrücken. Das OLG geht davon aus, dass Geschwindigkeitsmessungen auch dann rechtsgültig erhoben werden können, wenn die Rohmessdaten nicht gespeichert werden. Dieser Argumentation sei folgerichtig, denn schließlich erkenne der BGH auch die Messung mit einer Laserpistole, bei der keine Daten gespeichert werden, als wirksam an. Für eine Geschwindigkeitsmessung mit einem Blitzgerät könne daher nichts anderes gelten.
Das Gericht stellt bei seiner Entscheidung darauf ab, dass die Bauartzulassung durch die PTB ein Garant für die Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessungen und deren Richtigkeit sei. Entscheidend sei die Einhaltung der Voraussetzungen des standardisierten Messverfahrens.
„Ich musste ganz dringend auf die Toilette.“ Kann ich mit diesem Argument eine Geschwindigkeitsüberschreitung rechtfertigen?
Der Betroffene war in der Innenstadt mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 52 km/h geblitzt worden. Der Bußgeldbescheid sah zwei Monate Fahrverbot und ein Bußgeld in Höhe von 280 EUR vor.
Der Betroffene legte form- und fristgerecht Einspruch ein. Er gab den Geschwindigkeitsverstoß zu und trug zu seiner Verteidigung vor, dass er so schnell gefahren sei, weil er ganz dringend auf die Toilette musste. Er habe an starken Bauchschmerzen gelitten und das große Geschäft verrichten müssen. Deshalb sei er auf dem Weg zu seiner Freundin gewesen, um auf deren Toilette seine Notdurft zu verrichten.
Das zuständige Amtsgericht Schwedt/Oder zeigte Verständnis für die vermeintliche Notsituation des Betroffenen und hob das Fahrverbot auf. Die Bußgeldverurteilung blieb bestehen.
Die Staatsanwaltschaft indes war anderer Meinung. Die Sache wurde daher an das Oberlandesgericht Brandenburg abgegeben. Das OLG Brandenburg folgte der Staatsanwaltschaft und hob das Urteil des AG Schwedt/Oder auf (Oberlandesgericht Brandenburg, Beschluss von 25.02.2019 - (1 B) 53 Ss-OWi 41/19 (45/19)).
Für einen rechtfertigenden Notstand sei stets das geschützte Interesse dem beeinträchtigten Interesse gegenüber zustellen und abzuwägen. Aus den Feststellungen des Amtsgerichts gehe nicht hervor, ob tatsächlich eine derartige Ausnahmesituation vorgelegen habe, wie sie für die Annahme einer Notstandssituation vorauszusetzen wäre. Wie lange war der Betroffene bereits unterwegs? Warum hat er für seinen Toilettengang keine Tankstelle oder ein Café oder ähnliches aufgesucht? Er wurde in der Innenstadt geblitzt – es sei daher anzunehmen, dass ihm hinreichende Möglichkeiten an öffentlich zugänglichen Toiletten zur Verfügung gestanden haben.
Die Frage ob, das Argument, der Fahrer habe aufgrund eines dringenden Bedürfnisses eine Toilette aufsuchen müssen, einen Geschwindigkeitsverstoß rechtfertigen kann, lässt sich nicht mit einem klaren ja oder nein beantworten. Es kommt – wie so oft – auf die Umstände des Einzelfalls an. In jedem Fall wird man konkret darlegen müssen, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung unvermeidbar gewesen ist und das Interesse des Betroffenen daher das beeinträchtigte Interesse überwiegt.
Habe ich einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz?
Gemäß § 24 Abs.3 SGB VIII hat jedes Kind ab der Vollendung des dritten Lebensjahres bis zum Schuleintritt einen Anspruch auf den Besuch einer Kindertageseinrichtung. Der Anspruch gilt grundsätzlich für den Besuch einer Vormittagsgruppe. Wenn ein ausreichendes Angebot an Plätzen nicht zur Verfügung gestellt werden kann, kann auf den Besuch einer gleichwertigen Nachmittagsgruppe oder eines Kinderspielkreises verwiesen werden.
Der Anspruch nach § 24 Abs.3 SGB VIII bürdet den örtlichen Trägern der Jugendhilfe die Pflicht auf, die erforderlichen Kapazitäten zu schaffen, um eine ausreichende Anzahl an Kindergartenplätzen in wohnortnahen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen (BVerwG, Az.: 5 C 19.16).
Ein Mangel an qualifizierten Erzieherinnen, zu kleine Räumlichkeiten, finanzielle Engpässe oder ähnliche Schwierigkeiten, entbinden den zuständigen Träger nicht von der gesetzlichen Verpflichtung eine entsprechende Anzahl an individuell ausgestalteten Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen (BGH, III ZR 278/15, 302/15, 303/15). Der Rechtsanspruch auf die frühkindliche Förderung unterliegt mithin keinem Kapazitätsvorbehalt. Vielmehr hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe dem Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen in quantitativer, wie in qualitativer Hinsicht gerecht zu werden. Stehen nicht genügend Kindergartenplätze zur Verfügung, hat die Kommune / die Stadt / das Land eine ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen zu schaffen. Zur Not hat sich der Träger geeigneten Dritten – freien Trägern der Jugendhilfe, Tagesmüttern/-vätern o.ä. – zu bedienen. Den Träger der Jugendhilfe trifft also eine unbedingte Gewährleistungspflicht.
Eltern haben indes keinen Anspruch auf einen Betreuungsplatz in ihrem Wunschkindergarten. Gleichwohl sollte die Entfernung zwischen dem Wohnort und dem Sitz des Kindergartens berücksichtigt werden. Die Hin- und Herfahrerei zwischen Wohnort – Kindergarten – und Arbeitsplatz muss für die Eltern im Alltag zumutbar sein.
In der Stadt Buchholz in der Nordheide haben engagierte Eltern eine Elterninitiative gegründet, gegen den Betreuungsnotstand und eine sozial ungerechte Gebührensatzung und für die Aktivierung des Stadtelternrats.
Welche Wegstrecke zwischen Wohnort und Kindertageseinrichtung ist zumutbar?
Je näher der Kindergartenplatz am Wohnort des Kindes gelegen ist, umso besser. Im besten Falle ist die Betreuungseinrichtung des Kindes fußläufig erreichbar. Müssen die Eltern und Kinder (einen Teil) der Strecke mit dem privaten PKW oder öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen, ist auch das noch zumutbar.
Teilweise wurde ein kombinierter Fuß- und Busweg von 30 Minuten für eine Wegstrecke als nicht mehr zumutbar angesehen. Andere Gerichte ziehen die Grenze bereits bei einer Dauer von 20 Minuten pro Wegstrecke.
Letztlich wird es auf die Umstände des Einzelfalls ankommen. Die Zumutbarkeit für das Kind, der Zeitaufwand für die Eltern, auch unter Berücksichtigung der Entfernung zwischen Kindergarten und Arbeitsplatz und andere Gesichtspunkte, sind zu berücksichtigen (VGH München, 22.07.2016 Az.: 12 BV 15.179; OVG Berlin-Brandenburg 6 S 55.18)
Mein Kind hat keinen Betreuungsplatz erhalten – habe ich einen Anspruch auf Schadensersatz?
Der BGH hat entschieden, dass Eltern, deren Kind keinen Betreuungsplatz erhalten hat, grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch gegen den zuständigen Jugendhilfeträger haben (BGH Urteile v. 20.10.2016, Az. III ZR 278/15, 302/15 und 303/15).
Die zunächst zu prüfende Anspruchsberechtigung ist regelmäßig gegeben. Zwar steht der Anspruch auf einen Betreuungsplatz dem jeweiligen Kind zu und nicht seinen Eltern. Gleichwohl dient der Betreuungsanspruch nicht einzig der Förderung des Kindes. Vielmehr soll der § 24 SGB VIII auch dazu beitragen einem jeden Elternteil die Möglichkeit zu eröffnen Beruf und Familie zu vereinbaren. Der Gesetzgeber wollte mithin auch Anreize für die Erfüllung von Kinderwünschen schaffen.
In diesem Sinne trifft den zuständigen Träger der Jugendhilfe auch gegenüber den Eltern eine Amtspflicht, dem Kind bei rechtzeitiger Bedarfsanmeldung ab Vollendung des ersten Lebensjahres einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen.
Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein Rechtsanspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls besteht, ist aber, dass der Bedarf eines Betreuungsplatzes durch die Eltern form- und fristgerecht angemeldet worden ist und dass die Eltern alles Zumutbare unternommen haben, um doch noch einen Betreuungsplatz für ihr Kind zu finden.
Letztlich setzt der Schadensersatzanspruch bzgl. des Mangels an Betreuungsplätzen eine Verantwortlichkeit des Landkreises / der Gemeinde / der Kommune voraus. Eine Berufung des Jugendfürsorgeträgers auf finanzielle Notstände ist insoweit nicht zulässig. Ein Mitverschulden soll allerdings dann nicht gegeben sein, wenn die verspätete Eröffnung eines neugebauten Betreuungsplatzes auf die Insolvenz einer Baufirma zurückzuführen ist.
Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor, wandelt sich der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einen Kostenerstattungsanspruch um. Dieser umfasst den, aufgrund der Absage entstandenen Mehraufwand. Dazu zählen u.a.:
· Verdienstausfall, der auf die eigene Betreuung des Kindes zurückzuführen ist
· Mehraufwand durch die Unterbringung des Kindes in einer privaten Betreuungseinrichtung
· Erhöhte Aufwendungen durch einen längeren Anfahrtsweg
https://www.anwalt.de/rechtstipps/ihr-anspruch-auf-einen-kindergartenplatz_162750.html
Gibt es eine doppelte Entschädigung bei Flugverspätung oder Annullierung?
Nein, in Deutschland gibt es kein Anrecht auf eine doppelte Entschädigung bei Flugverspätung oder Annullierung. Ausgleichszahlungen die nach der Fluggastrechteverordnung erteilt wurden, sind auf reise- und beförderungsvertragliche Schadensersatzansprüche nach nationalem Recht anzurechnen. Diese Entscheidung hat der BGH in seinen zwei Urteilen vom 06.08.2019 mit dem Aktenzeichen X ZR 128/18 und X ZR 165/18 entschieden und damit auf eine Vorlage beim EuGH verzichtet.
Der Sachverhalt:
Die Beklagte war ein Reiseveranstalter. Die Kläger des ersten Verfahrens hatten bei der Beklagten eine Pauschalreise gebucht. Diese umfasste die Hin- und Rückflüge zwischen Frankfurt und Las Vegas, sowie verschiedene Hotelaufenthalte. Auf dem Hinflug erreichten die Kläger ihren Zielort Las Vegas erst mit mehr als 30 Stunden Verspätung und nach einem Zwischenstopp in Vancouver.
Daraufhin verlangten sie von der Beklagten die Erstattung der für die beiden ersten Tage der Urlaubsreise angefallenen Kosten des Mietwagens und des gebuchten, aber nicht genutzten Hotelzimmers. Außerdem beanspruchten sie von der Beklagten Ersatz für die Kosten für eine wegen der geänderten Reiseplanung erforderlich gewordenen Übernachtung in einem anderen Hotel.
Die zusätzlich entstandenen Kosten durch die notwendig gewordenen neuen Buchungen lagen unter 600 € pro Person.
In dem zweiten Verfahren waren ein Luftverkehrsunternehmen die Beklagte. Die Kläger waren Passagiere der Beklagten, die bei ihr einen Flug von Frankfurt am Main nach Windhoek gebucht hatten. In Windhoek wollten die Reisenden eine Rundreise durch Namibia antreten. Aufgrund einer Verzögerung des Abflugs erreichten die Kläger ihren Zielort erst einen Tag später als ursprünglich geplant. Dadurch waren die Kläger gezwungen, sich vor Ort eine andere Unterkunft suchen zu müssen. Das ursprünglich vorgesehene Hotel konnten die Kläger wegen der verspäteten Ankunft nicht mehr erreichen.
Von der Beklagten verlangen die Kläger nun Erstattung der Kosten für die nicht in Anspruch genommene, aber in Rechnung gestellte Unterkunft, sowie Erstattung der Kosten für die Übernachtung in Windhoek. Auch hier lagen die durch die Flugverspätung angefallenen weiteren Zahlungen unter 600 € pro Person.
In beiden Fällen leisteten die Luftverkehrsunternehmen der in Rede stehenden Flüge Ausgleichszahlungen nach Art.7 Abs.1 c der Fluggastrechteverordnung in Höhe von 600 € pro Reisenden. Der BGH hatte sich nun mit der Frage zu befassen, ob diese Ausgleichszahlungen nach Art.12 Abs.1 S.2 der Fluggastrechteverordnung auf die Ersatzansprüche der Kläger anzurechnen sind, die ihnen nach den Normen des deutschen Reisevertrags- bzw. Personenbeförderungsrechts zustehen.
Der BGH folgte in seinem Urteil den Entscheidungen der Vorinstanzen. Die von den Klägern geforderten Schadensersatzansprüche sollen die Beeinträchtigungen wieder gut machen, die die klagenden Parteien aufgrund der hohen Flugverspätung erlitten hatten. Zu diesen Beeinträchtigungen zählen Mehrkosten für notwendig gewordenen Hotelunterkünfte, sowie nutzlos gewordenen Aufwendungen. Diese Ansprüche zählen zu Ansprüchen auf weitergehenden Schadensersatz und auf diese ist nach Art. 12 Abs.1 S.2 der Fluggastrechteverordnung eine bereits nach der Fluggastrechteverordnung gewährte Ausgleichszahlung anzurechnen.
In Zahlen ausgedrückt bedeutet das, dass sich die Kläger mit einer Zahlung in Höhe von 600 € pro Person zufrieden geben müssen. Denn die beanspruchten Mehrkosten für die Übernachtung in anderweitigen Unterkünften und die Mietwagenkosten lagen unterhalb dieses Betrages, den die Kläger bereits erhalten hatten.
Für ab dem 01.07.2018 geschlossene Reiseverträge gilt zudem folgendes: Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung bestimmt § 651p Abs.3 S.1 Nr.1 BGB, dass sich ein Reisender auf seine Schadensersatzansprüche gegenüber dem Reiseveranstalter die Beträge anrechnen lassen müsse, die er aufgrund desselben Lebenssachverhalts als Entschädigung nach der Fluggastrechteverordnung erhalten haben.
Steht mir eine Entschädigung zu, wenn sich der Start aufgrund einer Beschädigung des Flugzeugs verzögert oder mein Flug annulliert wird?
Wie so oft in der Juristerei lässt sich diese Frage nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten: es kommt darauf an.
I.
Der EuGH hat jüngst einen Rechtsstreit mit dieser Frage zur endgültigen Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen (EuGH C 501/17).
Der Sachverhalt:
Kläger war ein Fluggast, der einen Flug von Dublin nach Düsseldorf gebucht hatte. Beklagte war die Fluggesellschaft Germanwings.
Bei den Startvorbereitungen für den besagten Flug wurde eine Beschädigung an einem Reifen des Flugzeugs festgestellt. Eine Schraube hatte sich in den Reifen gebohrt. Das sei entweder bereits auf der Startbahn in Düsseldorf passiert, oder auf der Landebahn des Vorflugs in Dublin. Der Reifen musste gewechselt werden. Dadurch verspätete sich der Flug um mehr als drei Stunden.
Der Kläger erhob Klage Amtsgericht Köln und verlangte Ausgleichsleistungen für die Verspätung nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung). Die Beklagte weigerte sich dieser Forderung nachzukommen. Sie zieht sich auf den Standpunkt zurück, dass es sich bei diesem Schadensfall um ein außergewöhnliches Ereignis handele und sie deshalb von der Haftung befreit sei. Eine Verpflichtung zur Ausgleichszahlung bestehe daher nicht.
Das AG Köln gab dem Kläger Recht und verurteilte die Beklagte zu einer Ausgleichzahlung von 250 EUR.
Die Beklagte legte gegen dieses Urteil beim Landgericht Köln Berufung ein. Das Landgericht hat den Rechtsstreit zur Vorabentscheidung dem EuGH vorgelegt, mit der Frage, ob die Beschädigung eines Flugzeuges durch eine auf der Start- oder Landebahn liegende Schraube einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Fluggastrechtverordnung darstellt.
Gemäß Art.5 Abs.1 dieser Verordnung müssen die Fluglinien den Fluggästen bei einer Annullierung oder großen Verspätung (von mehr als drei Stunden) grundsätzlich Ausgleichszahlungen leisten. Nach Art.5 Abs.3 der Verordnung kann eine Fluggesellschaft sich nur dann von dieser Verpflichtung lossagen, wenn sie nachweisen kann, dass die Annullierung bzw. die Verspätung des Fluges auf derart außergewöhnlichen Umständen beruht, dass sie auch dann nicht hätte vermieden werden können, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Ist eine auf dem Rollfeld liegende Schraube solch ein außergewöhnlicher Umstand?
Der EuGH hat nun in Rahmen des Vorabentscheidungsersuchen entschieden:
Eine Schraube auf der Fahrbahn ist ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Fluggastrechteverordnung.
Zu außergewöhnlichen Umständen i.S.d. europäischen Fluggastrechteverordnung zählen Geschehnisse, die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens sind und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind.
Der EuGH führte an, dass Luftfahrtunternehmen regelmäßig mit Reifenschäden ihrer Flugzeuge konfrontiert seien. Gleichwohl spiegelt ein Reifenschaden, der ausschließlich auf die Kollision mit einem Fremdkörper auf dem Rollfeld des Flughafens zurückzuführen ist, nicht den gewöhnlichen Alltag des Luftfahrtunternehmens wieder. Zumal dieser Umstand von dem Luftfahrtunternehmen auch nicht tatsächlich beherrschbar ist.
Der EuGH hat dem Luftfahrunternehmen auferlegt, nachzuweisen, dass es alle, ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel eingesetzt hat, um den Reifenschaden und damit die Verzögerung des Flugs zu verhindern. Kann die Beklagte diesen Beweis führen, ist sie von ihrer Ausgleichspflicht befreit.
II.
In einem vergleichbaren Fall hatte das Landgericht entschieden, dass der Passagier einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung hat, wenn sich der Flug aufgrund eines beschädigten Reifens deutlich verspätet. Die Fluggesellschaft könne sich dann nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen (Landgericht Hannover Az.: 462 C 2065/17).
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte bei der beklagten Fluggesellschaft einen Flug von Hannover nach Teneriffa gebucht. Der Flugzeugreifen war durch einen metallischen Fremdkörper beschädigt worden. Der Reifenwechsel nahm so viel Zeit in Anspruch, dass der Flieger mit einer Verspätung von mehr als 18 Stunden erst am nächsten Tag in Teneriffa landete.
Ob der Fremdkörper sich auf der Start- oder Langebahn in den Reifen gebohrt habe, oder ob die Beschädigung während der Standzeit des Flugzeugs eingetreten sei, ließ sich nicht mehr ermitteln.
Das Landgericht Hannover gab dem Kläger Recht und verurteilte die Beklagte zu einer Ausgleichzahlung in Höhe von 400 EUR.
III.
In einem weiteren ähnlichen Fall hatte der EuGH zu entscheiden, ob die Kollision eines Flugzeugs mit einem Vogel und die darauf beruhende Beschädigung des Fliegers außerhalb dessen liege, was das Luftfahrtunternehmen beherrschen könne (Urteil vom 04.05.2017 C‑315/15, EU:C:2017:342).
Der EuGH urteilte, dass ein derartiges Geschehen nicht untrennbar mit dem System zu dem Betrieb des Flugzeugs verbunden sei und von der Natur oder der Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens sei. Eine Ausgleichszahlung wurde dementsprechend verneint.
Fazit:
Es gibt noch einige weitere Urteile, die sowohl für die Bejahung eines außergewöhnlichen Umstands im Sinne des Art.5 Abs.3 der Fluggastrechtverordnung sprechen, als auch solche, die eine Befreiung von der Ausgleichspflicht verneinen und den Passagieren einen Anspruch zusprechen.
Sollte Ihr Flug annulliert worden sein oder erst mit erheblicher Verspätung gelandet sein, zögern Sie nicht sich mit uns in Verbindung zu setzen. Wir unterstützen Sie dabei Ihren Ausgleichsanspruch durchzusetzen.
Ein bisschen Eigeninitiative muss schon sein…
Geklagt hatte eine Familie aus Thüringen. Beklagte war der Reiseveranstalter.
Die Kläger hatten bei der Beklagten eine All-inclusive-Flugreise nach Antalya gebucht. Wie vom Reiseveranstalter empfohlen, hatte sich die Familie zwei Stunden vor dem Abflug am Check-In-Schalter eingefunden und in die Warteschlange gestellt. Trotzdem war die Familie nicht an Bord, als das Flugzeug abhob.
Was war passiert?
An demselben Schalter, an dem die Familie auf die Abfertigung ihres Gepäcks für ihren Flug nach Antalya wartete, wurde zusätzlich auch ein Flug nach Griechenland abgefertigt. Aufgrund der Vielzahl der Passagiere und der sehr langen Warteschlange, kam die Familie erst 25 Minuten vor dem geplanten Abflug an die Reihe. Die Familie war es nicht mehr möglich rechtzeitig zum Boarding zu gelangen. Sie verpassten ihren Flug.
Auf dem Bildschirm des Check-In-Schalters stand nur der Name der Fluggesellschaft. Weitere Informationen zur Abfertigung der Flieger nach Antalya und nach Griechenland wurden nicht angezeigt.
Dass Mitarbeiter der Beklagten an den wartenden Reisenden vorbeigingen und sie auf Zuruf darauf aufmerksam machten, dass der Flug nach Antalya kurz bevor stehe, wurde von den Klägern nicht bestritten. Zwischen den Parteien bestand aber auch ebenso Einigkeit darüber, dass den Klägern, vermutlich aufgrund der Vielzahl wartender Fluggäste und des damit verbundenen hohen Geräuschpegels, diese Information nicht zugegangen war.
Vor dem AG München klagte die Familie auf Minderung des Reisepreises, Ersatz für nutzlose Aufwendungen und Schadensersatz.
Das Gericht gab der Klage in weiten Teilen statt. Die Beklagte hätte den Flugreisenden ausdrücklich und für alle hörbar erklären müssen, dass Reisende für den Flug nach Antalya an der Warteschlange vorbei gehen mögen.
Gleichwohl mussten sich die Kläger auch ein Mitverschulden anspruchsmindernd anrechnen lassen. Nach der Meinung des Gerichts hätte die Familie mehr Eigeninitiative zeigen müssen. Die Familie hätte selbst aktiv werden müssen. Sie hätte beispielsweise bei Mitarbeitern der Beklagten Informationen zu den Möglichkeiten den Flug noch rechtzeitig erreichen zu können, einholen müssen. Wer sehenden Auges seinen Flug verpasst, könne sich anschließend nicht auf einen vollen Anspruch auf Minderung und Schadensersatz berufen.
Wann ist eine Information über geänderte Flugzeiten rechtzeitig erfolgt?
Unterrichten bzw. informieren im Sinne des Art.5 der Fluggastrechteverordnung meint eine bewusste, ziel- und zweckgerichtete Weitergabe von Informationen an einen konkreten Adressaten. Es ist nicht ausreichend, dass der Fluggast nur im Rahmen einer anderen Tätigkeit – mehr oder weniger zufällig – von der Änderung der Flugdaten Kenntnis erlangt.
Der Sachverhalt:
Die Beklagte war eine Fluggesellschaft. Der Kläger war ein Fluggast, der über einen Reiseveranstalter eine Reise für sich und seine Familie nach Rhodos gebucht hatte. Abflug sollte am 03.08.2018 um 05:00 Uhr sein.
Am 25.05.2018 beschloss die Beklagte den Flug auf 18:05 Uhr zu verlegen. Der Kläger wurde von der Beklagten erst mit Schreiben vom 21.07.2018 über die Flugzeitenänderung in Kenntnis gesetzt.
Wenige Tage zuvor hatte der Kläger versucht auf der Homepage der Airline Sitzplätze zu reservieren. Auf der Homepage wurden die geänderten Flugzeiten schon angezeigt. Ebenso war auch der Reiseveranstalter, über welchen der Kläger die Reise gebucht hatte, bereits vor dem 21.07.2018 informiert worden.
Gemäß Art.5 Abs.1 hat eine Information des Fluggastes über geänderte Abflugzeiten mindestens zwei Wochen vor Abflug zu erfolgen. Die Beklagte sieht diese Voraussetzung als erfüllt an und lehnt daher eine Ausgleichszahlung an den Kläger ab.
Der Kläger erhob daraufhin Klage beim Amtsgericht Nürnberg (AG Nürnberg, 23.01.2019 Az.: 19 C 7200/18).
Das Amtsgericht Nürnberg teilte die Auffassung der Beklagten nicht und sprach dem Kläger eine Ausgleichszahlung in Höhe 1.600 EUR nach der Fluggastrechteverordnung zu. Der Kläger sei nicht rechtzeitig über die Annullierung der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet worden.
Eine rechtzeitige Information des Klägers hätte spätestens am 20.07.2018 um 05:00 Uhr erfolgen müssen. Nur dann wäre die Mitteilungspflicht binnen vierzehn Tagen eingehalten worden.
Dass der Kläger zufällig bereits einige Tage vorher bei der Reservierung der Sitzplätze über die Homepage der Airline Kenntnis über die Flugzeitenänderung erlangt habe, sei insoweit nicht von Belang. Bei einer derartigen Unterrichtung des Passagiers durch die Fluglinie ist die Frist nur dann gewahrt, wenn die Unterrichtung zweck- und zielgerichtet erfolgt.
Auch die vorausgegangene Mitteilung an den Reiseveranstalter sei nicht relevant. Der Reiseveranstalter sei kein Empfangsvertreter des Passagiers. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der konkreten Mitteilung an den betroffenen Reisenden.
Eine Maus im Flugzeug – Entschädigungsanspruch?
Das Auftauchen von Kleintieren Flugzeugen sei kein unvorhersehbares und unbeherrschbares Ereignis. Vielmehr sei es allgemein bekannt, dass sich auf Flughäfen Mäuse aufhalten. Dementsprechend müsse eine Airline auch damit rechnen, dass eine Maus mal in ein Flugzeug krabbeln könne. Die Beklagte hätte entsprechende Vorkehrungen treffen können und müssen, um einen solchen „Mäuse-Vorfall“ zu vermeiden.
Der Sachverhalt:
Die Kläger hatten bei der beklagten Fluggesellschaft einen Flug von Berlin über Istanbul nach Dalaman in der Türkei gebucht.
Der Flug nach Istanbul verspätete sich um einige Stunden. Die Kläger konnten ihren Anschlussflug nicht mehr rechtzeitig erreichen. Letztlich landeten die Kläger erst einen Tag später, als ursprünglich geplant, in Dalaman.
Der Grund für die Flugverspätung war eine Maus. Ein Fluggast des Vorfluges hatte beim Verlassen der Maschine eine Maus in gesehen. Daraufhin wurde das Flugzeug mehrere Stunden lang durchsucht.
Die Kläger verklagten die Beklagte vor dem Amtsgericht Wedding in Berlin auf Zahlung einer Ausgleichszahlung in Höhe von 400 EUR.
Das Gericht folgte der Einschätzung der Kläger.
Kann ein Vulkanausbruch zur Kündigung der Reise berechtigen?
Ein Vulkanausbruch stellt eine unvorhersehbare höhere Gewalt im Sinne des dar und kann die Reisenden zur Kündigung der Reise berechtigen. Das entschied das Amtsgericht München in seinem Urteil vom 24.05.2018, Aktenzeichen 133 C 21869/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein Mann aus Aschaffenburg, der für sich und seine Frau eine Reise nach Costa Rica gebucht hatte. Bei der Beklagten handelt es sich um die Reiseveranstalterin.
Die Reisenden hatten eine Mitwagenrundreise u.a. mit Aufenthalt in der Nähe des Vulkans Turrialba geplant und gebucht. Der Reisepreis betrug 4.885,30 EUR.
Der Vulkan Turrialba liegt ca. 80 km entfernt von der Hauptstadt Costa Ricas, San José. Zwei Tage vor Beginn der Reise war der Vulkan Turrialba ausgebrochen. Die dadurch entstandene Aschewolke breitete sich bis zur Hauptstadt aus. Deshalb wurde der Flugverkehr am Tag des Ausbruchs für mehrere Stunden gestoppt. Ferner wurden die im Umkreis von 2km liegenden Dörfer evakuiert und die Einwohner wurden aufgefordert ihre Augen vor der Asche zu schützen.
Schließlich wurde auch die Zufahrt zu dem Nationalpark, den der Kläger bereisen wollte, gesperrt. Das Auswärtige Amt warnte die Reisenden davor, dass die Asche pathologische Zustände, zu Augenreizungen und sogar Atembeschwerden führen könne. Das Auswärtige Amt sprach daher die Empfehlung aus im Freien Atemmasken zu tragen.
Nachdem der Kläger von dem Vulkanausbruch erfahren hatte, nahm er einen Tag vor Reisebeginn Kontakt mit der Beklagten auf und kündigte den Reisevertrag.
Die Beklagte erstattete dem Kläger vorgerichtlich einen Teilbetrag in Höhe von 834,72 EUR. Bezüglich des weiteren Reisepreises erhob der Kläger Klage.
Der Kläger war der Meinung die Hauptattraktion der Reise – den Nationalpark – aufgrund des Vulkanausbruchs gar nicht bestaunen zu können. Die Frau habe noch bis vor kurzem an einer Bronchitis gelitten und man müsse noch mit weiteren Ausbrüchen rechnen.
Die Beklagte bestritt die Behauptungen des Klägers. Insbesondere scheide, mangels einer unvorhersehbaren Gefährdung, eine Kündigung wegen höherer Gewalt aus. In einer Region wie Costa Rica sei stets mit einem Ausbruch zu rechnen.
Das zuständige Amtsgericht schloss sich dem Kläger an und verurteilte die Beklagte auf Rückerstattung des noch nicht zurückgezahlten Reisepreises an den Kläger.
Bei dem Ausbruch des Vulkans Turrialba handelt es sich um einen Fall von unvorhersehbarer Gewalt. Die Tatsache, dass es auf Costa Rica häufiger zu Vulkanausbrüchen kommt, rechtfertigt nicht die Annahme, dass ein Vulkanausbruch während der Reise des Klägers vorhersehbar war. Die vom Kläger vorgetragenen Medienberichte und Warnungen des Auswärtigen Amtes reichen aus, um von einer Gefährdung der Reisenden bei Antritt der Reise ausgehen zu können. Vulkanasche hat grundsätzlich mehrere unmittelbare negative Auswirkungen.
Habe ich einen Ausgleichsanspruch gegen die Airline, wenn sich die Abfertigung wegen eines Systemausfalls mehrere Stunden verzögert?
Über die Rechtsfrage, ob ein mehrstündiger Systemausfall an den Abfertigungsschaltern ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung ist, hatte jüngst der BGH zu urteilen.
JA sagt der BGH in seiner Entscheidung vom 15.01.2019 unter den Aktenzeichen X ZR 15/18 und X ZR 85/18. Ein Ausgleichsanspruch gegen die Fluggesellschaft bleibt den Klägerinnen damit verwehrt.
Der Sachverhalt:
Die Klägerinnen sind zwei Reisende, die Beklagte ist ein Luftfahrtunternehmen. Mit der, vor dem LG erhobenen Klage, verlangten die Klägerinnen von der Beklagten Ausgleichszahlungen in Höhe von jeweils 600 EUR, gemäß Art.7 Abs.1 S.1c der Fluggastrechteverordnung wegen verspäteter Flüge.
Die Klägerinnen buchten bei der Beklagten Flüge von New York nach Stuttgart, mit einem Zwischenstopp in London. Aufgrund einer Verspätung des Fluges von New York nach London von mehr als zwei Stunden, verpassten die Klägerinnen ihren Anschlussflug nach Stuttgart. Dort landeten sie schließlich mit einer Verspätung von mehr als neun Stunden.
Der Grund für den verspäteten Abflug vom Startflughafen war ein Ausfall aller Computersysteme den Abfertigungsschaltern des Terminals 7 am John-F.-Kennedy-Flughafen NY. Hinzukam ein Streik bei dem, gegenüber des Flughafenbetreibers für die Telekommunikationsleitungen zuständigen Unternehmens. Aufgrund dessen konnte der Systemausfall erst nach 13 Stunden behoben werden.
Die Beklagte beruft sich insoweit auf außergewöhnliche Umstände und lehnt einen Ausgleichanspruch ab.
Das LG wies in beiden Fällen die Klage ab. Auch die Revision der Klägerinnen vor dem BGH hatte keinen Erfolg.
Zur Begründung führt der BGH an, dass ein derartiger Systemausfall ein Ereignis darstelle, welches von außen auf den Flugbetrieb des Luftverkehrsunternehmens einwirkt und dessen Ablauf beeinflusst. Ein solcher technischer Defekt, der die Funktionsfähigkeit der Abfertigungsschalter über einen längeren Zeitraum beeinträchtigt und sogar ganz aufhebt, ist von der Beklagten nicht zu beherrschen. Die Überwachung, Wartung und sonstigen Maßnahmen zur Vorkehrung liegen außerhalb des Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereich der Beklagten.
Hinzukommt, dass die Beklagte durch eine manuelle und durch Mitarbeiter in Washington telefonisch durchgeführten Abfertigung der Fluggäste darauf hingewirkt hat, die Verspätung der betroffenen Reisenden zu minimieren.
Bzgl. der Möglichkeit, dass ein Ausweichen auf die technischen Einrichtungen eines anderen Terminals die Verspätung hätte verhindern können, sind die Klägerinnen einem Beweis für ihre Behauptung schuldig geblieben.
Fazit:
Ein mehrstündiger Ausfall aller Computersysteme an den Abfertigungsschaltern eines Terminals kann einen außergewöhnlichen Umstand i.S.d. Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung begründen.
Müssen zusätzliche Kosten durch Gepäckaufgabe bereits vor der Buchung angezeigt werden?
Wer kennt es nicht, man glaubt den günstigsten Flug gebucht zu haben; doch dann die böse Überraschung: aufgrund des hinzugebuchten Gepäcks wird der Flug am Ende viel teurer, als ursprünglich erwartet.
Das Oberlandesgericht Dresden hat hierzu mit Urteil vom 13.11.2018, Az. 14 U 751/18 eine richtungsweisende Entscheidung getroffen.
Der Sachverhalt:
Der Kläger war der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände. Die Beklagte betreibt verschiedene Onlineportale, über die Verbraucher Flüge buchen können.
Mitarbeiter des Klägers buchten bei der Beklagten zu Testzwecken Flüge von Berlin nach München hin und zurück. Das günstigste angezeigte Angebot sollte 90,71 EUR kosten. Bei der Buchung wurde bezüglich der Gepäckkosten zwar darauf hingewiesen, dass die Flüge kein Freigepäck beinhalten. Eine Angabe wie teuer die Aufgabe von Gepäckstücken sein würde, blieb jedoch bis zum Abschluss der Buchung offen.
Der Kläger erhob Klage vor dem Landgericht Leipzig und beantragte festzustellen, dass die Beklagte auch dann die Gebühren für die Gepäckaufnahme mitteilen müsse, wenn das Gepäck bei der Buchung selbst nicht hinzu buchbar ist, dies aber zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden kann.
Das Landgericht Leipzig teilte die Auffassung des Klägers nicht und wies die Klage ab. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers (LG Leipzig 05 O 1604/17).
Das Oberlandesgericht Dresden verurteilte die Beklagte dazu es „zu unterlassen im Internet im Rahmen von Flugbuchungen dem Verbraucher vor Abschluss des Vertrages keine Informationen darüber zu erteilen, welche Kosten für das Gepäck entstehen, bzw. diese vorzuenthalten.“
Das OLG begründete seine Entscheidung damit, dass es sich bei den Gepäckkosten um Frachtkosten im Sinne des §5a Abs.3 Nr.3 UWG handelt. Die Gepäckkosten sind wesentliche Informationen im Sinne des §5a Abs.2 UWG und müssen daher angegeben werden.
Außerdem und insbesondere verstößt die fehlende Angabe der Preise für aufgegebenes Gepäck gegen die Informationspflichten der Luftverkehrsdienste-Verordnung. Danach müssen fakultative Zusatzkosten auf klare, transparente und eindeutige Art und Weise am Beginn eines jeden Buchungsvorgangs mitgeteilt werden. Nur so ist es dem Kunden möglich die Preise verschiedener Luftfahrtunternehmen effektiv zu vergleichen. Die Mitnahme von Gepäckstücken, die über die Größe des Handgepäcks hinausgehen, ist für viele Reisende von zentraler Bedeutung. Die Entscheidung für oder gegen die Buchung eines Flugangebots steht und fällt unter Umständen mit der Erkenntnis welche Zusatzkosten durch die Gepäckaufgabe noch entstehen können. Dass die Kosten für die Gepäckaufgabe Schwankungen unterliegen, steht dem nicht entgegen. Dem Reisenden muss der aktuelle Tagespreis offenbart werden.
Fazit:
Werden auf einem Online-Portal Flüge angeboten, sind dem Verbraucher vor Abschluss des Vertrages die Kosten mitzuteilen, die für aufgegebenes Gepäck am Tag des Vertragsschlusses bei der Fluggesellschaft für den zu buchenden Flug erhoben werden.
Rail and Fly – Haftet der Reiseveranstalter für verpasste Flüge bei Zugverspätung?
Rail and Fly-Reisende haben keinen Anspruch auf Ersatz von zusätzlichen Flugkosten oder einer Hotelübernachtung, wenn sie bei der Wahl der Anschlusszugverbindung mögliche Verspätungen nicht einkalkulieren und deshalb zu spät zum Check-In ihres Fluges kommen.
Leisten die Reisenden den Empfehlungen des Reiseveranstalters allerdings Folge und haben sie einen entsprechend großzügigen Zeitpuffer eingeplant, so haftet der Reiseveranstalter grundsätzlich im Falle eines verpassten Fluges bei Flugverspätung. Denn der angebotene Rail and Fly Service ist gemeinsam mit dem Flug als einheitliche Leistung anzusehen.
Entscheidend ist, wie viel Zeitpuffer Sie eingeplant hatten.
Es empfiehlt sich eine Zugverbindung zu wählen, die nach regulärem Fahrplan drei Stunden vor Abflug des Fluges den Flughafen erreicht. Viele Reiseveranstalter weisen in Ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die Einhaltung dieser Zeitspanne hin.
In dem Fall, der einem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt a. M. zu Grunde liegt, hatte der Rail and Fly Reisende nur einen Zeitpuffer von etwa 1 ½ Stunden gewählt. Das Gericht versagte dem Kläger einen Anspruch auf Ersatz von zusätzlichen Flugkosten oder einer Hotelübernachtung. Indem der Kläger die Empfehlung des Reiseleiters zur zeitlichen Anreise ignoriert hatte, habe er den Schaden mitverursacht (Frankfurt a.M. Urteil vom 20.02.2018, Az.: 32 C 1966/17).
Wie schnell ist Schrittgeschwindigkeit?
Jeder kennt sie, doch die wenigsten wissen, was genau sie bedeutet: die Schrittgeschwindigkeit. Liegt die Schrittgeschwindigkeit vielleicht bei 15 km/h oder noch darüber oder vielleicht eher drunter?
Diese Frage stellte sich für das Oberlandesgericht Naumburg (Beschluss vom 21.03.2017, 2 Ws 45/17).
Der Sachverhalt:
Kläger war ein Autofahrer. Beklagter war der, den Bußgeldbescheid erlassende Landkreis.
Der Kläger bog mit seinem Auto in eine als verkehrsberuhigten Bereich gekennzeichnete Straße ein; eine sogenannte Spielstraße. In einer Spielstraße sind Kinderspiele und Fußgänger überall erlaubt. Für den Fahrzeugverkehr gilt Schrittgeschwindigkeit.
Als der Kläger von der Polizei angehalten wurde, war er mit 42 km/h unterwegs. Gegen den Kläger erging ein Bußgeldbescheid. Gegen diesen legte er Einspruch ein.
Mit Urteil von 05.12.2016 entschied das Amtsgericht Weißenfels, dass die erlaubte Schrittgeschwindigkeit in der in Rede stehenden Straße bei 15 km/h liege. Dem Kläger sei daher eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 27 km/h anzulasten.
Das Amtsgericht begründete diese Einschätzung mit den örtlichen Gegebenheiten und dem Grad der Gefährdung. Die Straße verlaufe ganz gerade, sei gut einzusehen und so breit, dass zwei LKW nebeneinander fahren könnten.
Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde ein.
Das OLG Naumburg teilte die Auffassung des AG Weißenburg nicht. Das Urteil des AG Weißenburg wurde aufgehoben und mit der Maßgabe, dass die Schrittgeschwindigkeit bei 4-7 km/h und auf keinen Fall bei mehr als 10 km/h liege, zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.
Das OLG Naumburg führte aus, dass eine Geschwindigkeit von mehr als 10 km/h schon nach dem Wortsinn nicht mehr als Schrittgeschwindigkeit angesehen werden könne.
Zum Vergleich: Mit dem vom Amtsgericht zu Grunde gelegten Tempo von 15 km/h wäre etwa ein Teilnehmer des Berlin Marathon 2016 mit einer Zeit von ca. 2 Stunden und 50 Minuten unter den besten 4 % der 35.999 Läufer, die das Ziel erreicht haben, gelandet. Schon die Annahme einer Schrittgeschwindigkeit von 10 km/h liegt über dem, womit manch ein durchschnittlicher Fußgänger Schritt halten kann.
Eine einzelfallbezogene Auslegung des Begriffs Schrittgeschwindigkeit je nach den örtlichen Gegebenheiten oder dem Grad der Gefährdung, lehnte das OLG ab. Eine Beurteilung nach diesen Maßstäben würde zur Rechtsunsicherheit führen. Es könnte bedeuten, dass je nach Verkehrsaufkommen in ein und derselben Straße mal 10 km/h und mal 15 km/h erlaubt sind.
Fazit:
Mit seinem Beschluss vom 21.03.2017 steht das OLG Naumburg im Einklang mit weiteren Gerichten. Von dem überwiegenden Teil der deutschen Rechtsprechung wird die Schrittgeschwindigkeit zwischen 4 und 7 km/h angesiedelt. Spätestens bei mehr als 10 km/h ist die Obergrenze überschritten und ein Bußgeld droht.
Darf ich bei gelb noch über die Ampel fahren?
Auch bei gelben Ampeln drohen Bußgelder. Denn gelbes Ampellicht ordnet an “Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen warten“ (§ 37 Abs.2 Ziff.1 S5 StVo).
Die Gelbphase richtet sich immer nach der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Bei einem Tempolimit bis 50 km/h dauert die Gelbphase drei Sekunden, bei 60 km/h vier und bei einer Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h fünf Sekunden.
Sollte ich also nochmal schnell Gas geben, wenn ich auf eine auf gelb umspringende Ampel zufahre?
Nein. Wechseln die Lichtzeichen einer Ampel von Gelb auf Grün empfiehlt es sich zu bremsen und an der Haltelinie anzuhalten. Für ein Gelblichtverstoß kann ein Verwarnungsgeld in Höhe von 10,00 € verhängt werden.
Was gilt, wenn ich bei einem normalen Bremsvorgang nicht mehr an der Haltelinie zum Stehen komme, sondern erst ganz kurz vor der Ampel?
Mit dieser Frage hatte sich der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm in der Berufungsinstanz auseinanderzusetzen (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 30.05.2016 AZ.: 6 U 13/16). Der Entscheidung des OLG Hamm war ein Urteil des Landgerichts Dortmund vorausgegangen. Folgender Sachverhalt:
Kläger war der Fahrer eines Motorrollers. Beklagte waren der Fahrer eines LKW und dessen Haftpflichtversicherung. Der Kläger fuhr mit seinem Motorroller auf eine Kreuzung zu und beabsichtigte diese geradeaus zu überqueren. Als die für ihn geltende Ampel von rot/gelb auf grün umsprang, fuhr er in den Kreuzungsbereich ein. Zeitgleich fuhr der Beklagte mit seinem Sattelzug auf der Linksabbiegerspur der Gegenfahrbahn. Als die für den Beklagten geltende Ampel von grün auf gelb umgesprungen war, fuhr auch er in den Kreuzungsbereich hinein.
Der Kläger bremste scharf. Sein Motorroller kam ins Schleudern und er kollidierte mit dem Unterfahrschutz des Sattelschleppers. Der Kläger wurde bei dem Unfall schwer verletzt.
Die ihm entstandenen materiellen Schäden, sowie ein Schmerzensgeld machte der Kläger klageweise geltend.
In erster Instanz obsiegte der Kläger mit einer Haftungsquote von 70 %. Das Landgericht nahm ein mit 30 % zu bewertendes klägerisches Mitverschulden an.
Die vom Beklagten eingelegte Berufung blieb erfolglos. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte das vorausgegangene Urteil des Landgerichts. Dem Beklagten sei ein Gelblichtverstoß vorzuwerfen.
Zur Begründung führte das OLG an, dass der Beklagte den Sattelzug vor Beginn der Rotlichtphase mit einer normalen Betriebsbremsung vor der Ampelanlage habe anhalten können. Insofern sei es unerheblich, ob der Beklagte noch vor oder erst nach der Haltelinie seiner Ampel zum Stehen komme. Entscheidend sei vielmehr, dass der Beklagte durch ein normales Bremsverhalten eine Gefährdung des Querverkehrs habe mindern können.
Insbesondere dann, wenn der Fahrer ein großes, schwerfälliges Kraftfahrzeug – wie einen Sattelschlepper – fährt, sei eine langsame und vorsichtige Einfahrt in den Kreuzungsbereich geboten. Es sei dem Beklagten noch möglich gewesen den Sattelzug anzuhalten und den Abbiegevorgang abzubrechen. Er habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass der Kläger ihm Vorfahrt gewähren werde.
Fazit:
Ist das nächste Ampelzeichen rot, hat der Fahrer vor der Ampelanlage anzuhalten, soweit ihm das bei einem normalen Bremsverhalten möglich ist. Wenn ein Stehenbleiben vor der Ampel nicht mehr möglich ist, hat der Fahrer den Kreuzungsbereich zügig und ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu räumen.